Auch Teil 2 der Jahrgangsprobe 2023 war ein spannender Streifzug durch die herausragenden Weine dieses Jahrgangs! Wir konnten die Vielfalt und den Charakter deutscher Weinbaugebiete hautnah erleben, geprägt von Wetterextremen und präziser Winzerkunst. Von frischen, mineralischen Rieslingen über kraftvolle Burgunder bis hin zu tiefgründigen Rotweinen – die Weine der Jahrgangsprobe offenbaren die außergewöhnliche Qualität und das Terroir der einzelnen Regionen. Im Folgenden versuche ich die sensorische Entdeckungsreise durch von unseren Gebietesexperten ausgewählte Lagen an der Ahr, Mittelrhein, Baden, Pfalz, Rheingau, Sachsen und Württemberg wiederzugeben. Vielen Dank an alle Winzer, die die Herausforderungen und Chancen dieses besonderen Jahrgangs meisterhaft in die Flasche gebracht haben – und an alle unsere Gebietsexperten, die die folgenden Schätzchen aufgespürt haben .
Ahr
Die Ahr brachte 2023 herausfordernde Bedingungen für Spätburgunder mit sich, dennoch zeigen die Weine eine erstaunliche Tiefe und Charakterstärke. Der Spätburgunder „Unplugged“ 2022 vom Weingut Kreuzberg bringt die Essenz des Ahrtals auf den Punkt. Ohne technische Eingriffe verkörpert dieser vom Winzer als Einstiegswein bezeichnete Wein den puren, natürlichen Stil der Region und bietet eine Struktur mit ausgeprägten Waldfruchtaromen und einer feinen Würze. Der Spätburgunder „Devonschiefer“ 2021 vom gleichen Weingut (einer meine Favoriten des Abends) ist von der Mineralität des Schieferbodens geprägt und überzeugt mit eleganten Tanninen und einem Hauch von Rauchigkeit.
Mittelrhein
Am Mittelrhein waren sorgfältige Traubenselektion und schnelle Ernte für hohe Qualität entscheidend. Der Bopparder Hamm Feuerlay 2023 vom Weingut Weingart ist eine konzentrierte trockene Riesling-Spätlese mit frischer Säure und der typischen Mineralität der Schieferböden. Seine präzisen Zitrus- und Kräuternoten verleihen ihm eine hervorragende Struktur. Der Bacharacher Mathias Weingarten Riesling Spätlese 2023 vom Weingut Weingart zeigt mit einem Restzucker von 100 g/l die fruchtsüße Seite des Mittelrheins mit harmonischer Balance zwischen Säure und Süße – ideal für Liebhaber süßer Rieslinge.
Baden
Die warme Sommerperiode in Baden bot ideale Bedingungen für Burgunder und Grauburgunder. Der Bickensohler Herrenstück Grauburgunder 2023 aus der Bickensohler Weinvogtei präsentiert sich mit saftiger Frucht, Noten von Birne und einem Hauch Mandel. Die vulkanischen Böden verleihen ihm eine feine Mineralität und Fülle. Der Spätburgunder gT Landwein 2022 (gt = Gärung in ganzer Traube) vom Weingut Holger Koch ist eine Hommage an traditionelles Winzerhandwerk und Ausdrucksstärke. Der Wein zeigt eine klare Kirschfrucht und sanfte Tannine, die sich im Glas entfalten. Eine größere Diskussion entfachte sich am 2021er Tempranillo Barrique vom Winzerkeller Hex vom Dasenstein, der die typischen Aromen der Rebsorte mit dunklen Kirschen und Vanille zeigt, doch im Vergleich zu spanischen Tempranillos bleibt er etwas leichter und weniger tiefgründig. Während spanische Vertreter oft durch kräftige Tannine und ein ausgeprägtes, warmes Mundgefühl bestechen, zeigt sich dieser badische Tempranillo im Stil etwas eleganter, mit feineren Holznoten und einer kühleren Frucht, was ihm eine interessante, aber weniger kraftvolle Interpretation verleiht. Kräftigere Worte fand Dr. Peter Hilgard. Auch die selektive Handlese, 2 Wochen Maische und 16 Monate Barrique halfen nicht, Dr. Hilgard gnädiger zu stimmen.
Pfalz
In der Pfalz brachte der kühle Herbst Frische und lebendige Säure in die Weine. Der Zellertal Riesling 2023 vom Weingut Schwedhelm ist geprägt von Kalkstein und zeigt Zitrusnoten, Pfirsich und eine elegante Mineralität.
Der 2022er Deidesheim am Kirchenberg Riesling vom Weingut Seckinger polarisiert durch seinen Naturwein-Stil: Mit seiner ungefilterten, naturbelassenen Machart präsentiert er intensive Noten von Apfel und Kräutern, begleitet jedoch von erdigen und leicht hefigen Tönen, die nicht jedem gefallen. Kritiker wie Dr. Klaus Schubäus empfinden ihn aufgrund seiner wilden Aromen und der rustikalen Struktur als „Sud aus der Biotonne“ – ein Wein, der den Mut zur Authentizität zeigt, aber sensorisch durchaus herausfordernd sein kann.
Der 2020er Weyher Spätburgunder Granit vom Weingut Meier vereint konzentrierte Aromen von dunklen Beeren und würzigen Anklängen, die durch den mineralischen Einfluss der Granitböden an Tiefe gewinnen. Mit seinen feinen Tanninen und der eleganten Struktur ist dieser Spätburgunder ein ausdrucksstarker und zugleich harmonischer Wein, der das Terroir der Pfalz eindrucksvoll widerspiegelt. Ohne den folgenden Wein wäre das mein Favorit geworden – aber dieser übertraf ihn:
Der Gerolsheimer Cabernet Franc „Réserve“ 2019 vom Weingut Philipp Kuhn bietet Cassis und dunkle Beerenaromen, Gewürznoten wie Paprika und Pfeffer und eine beeindruckende Tiefe. Diese Rebsorte findet selten Platz in Deutschland und entwickelt hier eine besonders dichte Struktur und seidige Tannine, die das Potenzial der Pfalz als Rotweinregion zeigen. Mein Highlight des Abends!
Rheingau
Der Rheingauer Jahrgang war gekennzeichnet von feiner Säure und aromatischer Komplexität. Der Lorcher Schlossberg Riesling 2023 von Y Wine & Kitchen zeigt intensive Aromen von reifem Steinobst, gepaart mit einer salzigen Mineralität, die den besonderen Lagencharakter widerspiegelt. Die Erbacher Steinmorgen Riesling Spätlese 2023 vom Weingut Heinz Nikolai vereint fruchtige Süße mit knackiger Säure. Dieser Wein beeindruckt durch Balance und Tiefgang und ist ein hervorragender Vertreter fruchtsüßer Rieslinge aus dem Rheingau. Frau Dr. Daus und Helmut Seufert konnte diesen Wein für 8,50 € für uns noch bekommen. Wir hatten noch Glück, denn der Wein ist bereits ausverkauft. Glück hatten auch Herr Höfig und Herr Ulsamer – die beiden haben unsere letzten beiden Flaschen ersteigert – für 12,50 €. Immer noch ein Schnäppchen – aber immerhin eine Wertsteigerung von fast 50% !
Die 2023er Winkeler Hasensprung Riesling Auslese vom Weingut Hamm besticht mit intensiven Noten von reifer Aprikose, Honig und exotischen Früchten. Mit seiner feinen Säure (9,7 g/l) und opulenten Süße (129,4 g/l) ist dieser Wein ein eleganter Vertreter der fruchtsüßen Rieslinge aus dem Rheingau, perfekt als Begleiter zu Desserts oder solo genossen.
Sachsen
Das sächsische Klima und die Granitböden prägten den Roter Granit Riesling (VDP.Gutswein) 2022 vom Weingut Martin Schwarz. Dieser Riesling zeichnet sich durch frische Zitrusnoten und eine markante Mineralität aus, die für die Region typisch ist. Die Klarheit und Struktur des Weins machen ihn zu einem ausgezeichneten Vertreter für den modernen sächsischen Stil, der Feinheit und Komplexität miteinander vereint. Der 2023er Radebeuler Johannisberg Bacchus vom Weingut Matyas vereint lebendige Aromen von Holunderblüte, Apfel und feinen Zitrusnoten. Mit seiner frischen Säure und fruchtigen Leichtigkeit bringt dieser Bacchus die einzigartige Stilistik des sächsischen Terroirs zum Ausdruck und ist ein erfrischender Genuss für Liebhaber aromatischer Weißweine.
Württemberg
In Württemberg entstanden charaktervolle Weiß- und Rotweine. Der Untertürkheimer Gips Weissburgunder (VDP.Erstes Gewächs) 2023 vom Weingut Aldinger zeigt die Typizität der Gipskeuperböden. Er ist elegant, mit Noten von Birne und feiner Würze, und seine harmonische Säure verleiht ihm Länge und Komplexität. Der Hanweiler Berg Lemberger (VDP.Erstes Gewächs) 2020 ist ein kräftiger, strukturierter Wein mit Aromen von Kirschen und feinen Gewürzen – ein Lemberger, der durch Balance und Lagerpotenzial überzeugt.
Das Weinjahr 2023 hat einige herausragende Weine hervorgebracht, die sowohl Frische als auch aromatische Tiefe bieten. Jede Region bringt ihre Eigenheiten auf beeindruckende Weise zur Geltung und zeigt das Potenzial dieses Jahrgangs. Die beschriebenen Weine der Jahrgangsprobe sind authentische Botschafter ihres Terroirs und der Philosophie ihrer Winzer.