Interessant, lehrreich und genussvoll – so empfand ich diese Kulinarische Weinprobe. Nach einem Schlumberger Sparkling Brut Klassik 2018 mit einem Gruß aus der Küche (der Mini-Hamburger mit Thunfischcreme passte ausgezeichnet zum Sekt) war der Ablauf so, dass wir zunächst die jeweils zwei Weine zu einem Gang solo verkosteten und danach zusammen mit der Speise. Das hat mit dem Brighella-Team hervorragend geklappt und brachte machmal überraschende Geschmackserlebnisse.
Aber wie kam es eigentlich zu der eventuell etwas seltsam anmutenden Idee, KuK-Weine vorzustellen? Vielleicht erinnern Sie sich noch an unsere Osteuropa-Probe am 19.2.2020. Es war unsere letzte Präsenzveranstaltung vor dem Lockdown. Wir hatten ausgezeichnete Weine aus Georgien, Rumänien, Kroatien, Slowakei, Tschechien, Bulgarien, Ungarn. Im Gespräch mit einem Freund über osteuropäische Weine kam es dann zur Idee der KuK-Weinprobe – und dann noch als i-Tüpfelchen: Was könnten Sisi und Franz Joseph getrunken haben?
Challenge accepted – ich nahm die Herausforderung an.
Ich dachte, kann ja nicht so wirklich schwer sein. Man nehme die Liste der Hoflieferanten, gibt es bestimmt irgendwo online, und bestelle etwas von dem jeweiligen Weingut.
Pustekuchen.
Zum einen wurde Wein ja damals nicht in Flaschen, sondern in Fässern von den Winzern verkauft. Es gab keinen Direktverkauf, sondern es wurde ausschließlich an Händler verkauft, die schon auf Jahre im Voraus die Ernte abnahmen. Das änderte sich z.B. im Burgund erst in den 1960/70er Jahren.
Daher erschienen auf der Liste der Hoflieferanten ausschließlich Händler und keine Winzer. Kein Problem, die Händler gibt es vielleicht auch noch. Bestelle ich eben bei denen.
Pustekuchen.
Keiner dieser Händler existierte mehr.
Der Grund: Antisemitismus aufgrund der Umwälzungen schon vor dem Ersten Weltkrieg (der russische Zar vertrieb systematisch Juden) und dann noch der spätere Nationalsozialismus
Viele dieser Händler waren Juden, die ihr Geschäft aufgeben mussten. Dadurch verschwand auch deren europa- und weltweites Weinhandels-Netzwerk. Diese Unterbrechung der Lieferkette traf z.B. auch den vormals teuersten Wein, den Riesling. In diese Lücke stießen dann die Franzosen.
Als nächstes bat ich das Österreichische Weinmarketing um Hilfe – sehr kompetente Leute. Sie empfahlen mir, nach Winzern mit einem guten Ruf zu suchen, die es damals schon gab. Die Wahrscheinlichkeit, dass deren Weine irgendwie bei Hofe gelandet sind, wäre groß.
Das erschien mir schlüssig – und so kam es nach weiteren aufwendigen Recherchen zu dieser Weinauswahl, zu der uns Leo Caporale, Koch und Inhaber des Ristorante Brighella, ein 4-Gänge-Menü kreierte.
Die Frage „Was könnten Sisi und Franz Joseph getrunken haben?“ konnte also nicht definitiv beantwortet werden. Sisi dürfte überhaupt keinen Alkohol zu sich genommen haben, war sie doch eine wahre Fitnessfantikerin und achtete strengstens auf ihre Figur (Taillenumfang nur 46 cm!)
Sparkling Brut Klassik 2018 Schlumberger, Wien, Österreich, Niederösterreich Alk.: 12 Vol% RZ: g/l Säure: g/l 13,99 €/ 0,75 l Rebsorte: Welschriesling, Chardonnay und Pinot Blanc
Robert Alwin Schlumberger erlernte die Champagnerproduktion bei Ruinart Père et Fils und begann 1842 als erster in Österreich mit der Erzeugung von Champagner. Damals durfte das noch so genannt werden. Bereits 1845 wurde er KuK-Hoflieferant.
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Ried Steinriegel Grüner Veltliner Reserve 2020 Stift Klosterneuburg, Klosterneuburg, Österreich, Niederösterreich Alk.: Vol% RZ: g/l Säure: g/l 16,76 €/ 0,75 l Rebsorte: Grüner Veltliner
Grüner Veltliner Kremser Gebling 1ÖTW 2020 Josef Schmid, Stratzing, Österreich, Kremstal/ Niederösterreich Alk.: 13,7 Vol% RZ: 2,0 g/l Säure: 5,4 g/l 17 €/ 0,75 l Rebsorte: Grüner Veltliner
Das Stift Klosterneuburg ist Österreichs ältestes Weingut – gegründet 1114. Zum Vergleich: Kloster Eberbach wurde im Jahr 1136 gegründet. Bei diesem Ried Steinriegel wurde der leicht pfeffrige Grundton eines typischen Grünen Veltliners vermisst – eigentlich war er überhaupt nicht als Grüner Vetliner zu erkennen. Vielleicht lag es an der Haltung von Hühnern zwischen den Rebzeilen. Sie lockern den Boden und kümmern sich um die Unkraut-Regulierung 🙂
Demgegenüber wurde der Kremser Gebling gleich als typischer Vertreter seiner Art erkannt. Das Weingut Schmid wurde 1865 gegründet. Die Rebstöcke sind über 60 Jahre alt und wachsen auf einem Löss-Schotterboden. Daher auch der Name Gebling (Gelb…).
Bei dieser Gelegenheit ein paar Erläuterungen: Ein Ried entspricht der Lage. Die Abstufung nach dem Österreichischen Weingesetz ist Gebietswein – Ortswein – Lagenwein (Ried). Darüber gibt es noch ÖTW Erste Lage und ÖTW Große Lage. Die Österreichischen Traditionsweingüter haben eine Ausnahmegenehmigung, den Riedenweinen noch etwas draufzusetzen. Das Kremstal ist ein DAC (Districtus Austriae Controllatus), was etwa dem französischen „Appellation d’Origine Contrôlée“ (abgekürzt AOC) oder dem italienischen „Denominazione di Origine Controllata“ (DOC) entspricht.
Interessanterweise entstand beim Essen (Sashimi Lachs, Büffelmozzarella, Rote Bete, Corallo die Peproni Crusco) eine rege Diskussion mit dem schlussendlichen Fazit, dass der Steinriegel perfekt zum Lachs, der Kremser Gebling perfekt zum Büffelmozzarella mit Rote Beete passte. Welch feinen Gaumen unsere Collegiaten doch haben.
ried GAISBERG | 1ötw erste lage 2020 Schloss Gobelsburg, Gobelsburg, Österreich, Kamptal/ Niederösterreich Alk.: 13 Vol% RZ: g/l Säure: g/l 21 €/ 0,75 l Rebsorte: Riesling
Riesling Stift Admont 2018 Dveri Pax, Jarenina, Slowenien, Stajerska/Slowenische Steiermark Alk.: 11 Vol% RZ: 30,4 g/l Säure: 7,37 g/l 9,7 €/ 0,75 l Rebsorte: Riesling
Schloss Gobelsburg ist das älteste Weingut im Kamptal (1171) und verfolgt ein sog. “Dynamic Cellar Concept”. Weine werden nicht mehr gepumpt, sondern in“Fässer auf Rädern“ in andere Kellerteile gebracht. Für die großen und kleinen (Barrique) Eichenfässer werden Hölzer vom Manhartsberg (nördlich von Krems) verwendet – strikte Regionalität.
Dveri Pax existiert seit 1139. Die Mönche gaben den Verwaltern schriftliche Anweisungen mit auf den Weg, wie die untergebenen Bauern den Weinberg bestellen sollten.
Beide Rieslinge passten mit ihrem Duft nach Honig und Pfirsich ausgezeichnet zu den Kürbisravioli in Butter und Salbei mit Parmesan.
Zum Kalbsrücken mit Kräuterseitlingen verkosteten wir:
Tesoro – Magnum 2015 Esterházy, Trausdorf an der Wulka, Österreich, Burgenland Alk.: 14,5 Vol% RZ: 1 g/l Säure: 5,7 g/l 90 €/ 1,5 l Rebsorte: Blaufränkisch Merlot
Südtiroler Merlot/Cabernet Riserva DOC Arzio 2018 Baron Di Pauli, Caldaro BZ, Italien, Südtirol Alk.: 14,5 Vol% RZ: g/l Säure: g/l 35 €/ 0,75 l Rebsorte: 25% Cabernet Sauvignon, 25% Cabernet Franc, 50% Merlot
Beide Weine zeigten ein dunkles Rubinrot, in der Nase für mich vor allen Dingen Schokolade, kräftig und dicht, tolle Struktur. Viel Aufruhr unter den anwesenden Damen gab es, als es ein Collegiat wagte, den Südtiroler als „Damenwein“, also als lieblichen und wohlgefälligen Mainstream-Wein zu bezeichnen.
Provokant ausgedrückt, aber mehr Charakter hatte in der Tat der Tesoro – auch in Verbindung mit dem auf den Punkt zartrosa gebratenen Kalbsrücken.
Die Trauben aus drei Rieden-Lagen werden getrennt verarbeitet. Zu Beginn eine rigorose Traubenselektion, Vergärung im Holzgärständer und 12-monatige Lagerung in Barriques. Das beste Fass aus jeder Lage wird dann „rausverkostet“. Aus diesen wird dann die Cuvée erstellt. Die Cuvée wird anschließend im großen Fass für 6 Monate harmonisiert, damit die drei Grundweine zusammenwachsen können. Nach der Füllung folgt eine zweijährige Flaschenlagerung, um den Wein weiter zu harmonisieren.
Weine nicht für jedermann vom Kalterer See. Der Ausbau erfolgt als Spontangärung in Holzbottichen, Reifung in Barriques, die zu 70% neu sind, und der Wein bleibt dann für weitere 16 Monate in kleinen Holzfässern.
Ruster Ausbruch 2017 Feiler-Artinger, Rust, Österreich, Burgenland Alk.: 12,5 Vol% RZ: 185 g/l Säure: 5 g/l 22,5 €/ 0,5 l Rebsorte: Welschriesling (68%) und Weissburgunder (32%)
Tokaji Oremus Aszú 3 Puttonyos 2016 Oremus, Tolcsva, Ungarn, Tokaj-Hegyalja Alk.: 11 Vol% RZ: 136 g/l (= 5 puttonyos) Säure: 9,4 g/l 29,58 €/ 0,5 l Rebsorte: 25% Furmint, 25% Hárslevelü, 25% Sargamuskotaly, 25% Zéta
Wir kommen zum letzten Gang, dem Dessert, eine Birnen-Tarte. Hier gab es später eine Kritik an Leos Dessertvorschlag, die Leo auch nachvollziehen konnte. Zu den beiden Süßweinen war das süße Dessert ein bisschen zuviel des Guten. Käse wäre wohl in diesem Zusammenhang besser gewesen. Ich kann dem folgen, gleichwohl war die Birnentarte hervorragend und passte druchaus zu den beiden Süßweinen. Beide haben eine helle goldgelbe Farbe und ein wunderschönes Honig-Bukett.
Ein Ausbruch ist nach dem Österreichischen Weingesetz ein Prädikatswein, der aus ausschließlich edelfaulen Beeren stammt (d. h. aus ausgebrochenen, überreifen, teils aufgeplatzten Beeren). Dazu kommt, dass nur derjenige aus Rust sich Ausbruch nennen darf (mit der kleinen Ausnahme Tokajer). Die Edelfäule (Botrytis cinerea) ist ein erwünschter Schimmelpilz, der sich bei dem richtigen Klima mit entsprechender Luftfeuchtigkeit und Wärme, mit feuchten Morgen und sonnigen Tagen meist an Flüssen gelegen, bildet. Der Schimmelpilz lässt das Wasser in den reifen Beeren verdunsten, dadurch entsteht ein hoher Süssegehalt. Die daraus gekelterten Weine nennen sich edelsüß, Auslese, Beerenauslese oder Trockenbeerenauslese. Berühmte edelsüße Weine kommen aus Sauternes, Rheingau, Tokaj und dem Neusiedlersee.
Der Ruster Ausbruch von Feiler-Artinger stammt aus der Großlage Rusterberg von 10 – 35 Jahre alten Rebstöcken. Die Gärung und Ausbau erfolgt in gebrauchten Barriques, über 1 Jahr auf der Feinhefe. Das Weingut wird nach „Respekt-BIODYN“ Richtlinien bio-dynamisch bewirtschaftet. Drei Kühe weiden im Winter in den Weingärten. Der Kuhmist bildet die Basis für den Kompost.
Feiler-Artinger ist das jüngste Weingut in dieser Auswahl, es entstand erst in den 1930er Jahren – also nach der KuK-Zeit. Ich habe hier ein kleines bisschen geschummelt.
Tokaji Oremus Aszú 3 Puttonyos 2016 – schon der Name bedarf einer Erläuterung.
Tokaj ist das älteste klassifizierte Weinbaugebiet der Welt und UNESCO Welterbe. Oremus ist das Tokaj-Projekt von Vega Sicilia (Ribera del Duero, Familie Alvarez). Aszú (oder Ausbruch) ider typische edelsüße Wein aus edelfaulen Trauben (Botrytis) mit mind. 18 Monaten im Fass, einem möglichen Alkoholgehalt 19% (Alkohol + Zucker) und mind. 60 g/l RZ. Geschmack und Qualität hängen vorrangig von der Anzahl der einem traditionellen Göncer Fass Grundwein (136 Liter) zugesetzten Tragebütten (puttonyos) mit jeweils 25 kg edelfaulen Trauben ab. Ein dreibüttiger Aszú muss mindestens 60 g/l, ein vierbüttiger Aszú 90 g/l, ein fünfbüttiger 120 g/l und der sechsbüttige 150 g/l Restzuckergehalt aufweisen. Nach einer mehrere Monate dauernden Gärung reift der Aszú in der Regel drei bis acht Jahre im Holzfass. Nachdem die Trauben sich vollgesaugt haben, werden sie gepresst und in Holzfässern fermentiert. Es folgen zwei Jahre Fass- und ein Jahr Flaschenreife. Aszú wird nicht jedes Jahr hergestellt.
Der von uns verkostete Tokajer hat 136 g/l RZ, hätte also auch als ein „5 Puttonyos“ durchgehen können.
Es gibt übrigens auch einen Tokaj Eszencia mit mehr als 450 g/l RZ, manchmal bis zu 900 g/l RZ. Das ist dann so süß, dass diese „Essenz“ nur auf Teelöffeln gereicht wird.
Weinregionen Italien - Karte von 1970
Zu guter Letzt holten sich Mario und Leo ihren Applaus für diesen gelungen Abend von uns ab und erhielten als Dankeschön eine wunderschöne Karte der Weinregionen Italiens aus dem Jahre 1970. An den Details erkennt man, welchen Ehrgeiz und Mühe der Grafiker damals investiert hat – diese Mühe macht sich ein heutiger Grafiker nicht mehr. Diese Karte hat sich im Fundus von Frau Machau gefunden – vielen Dank, liebe Gerda Machau.
Herzlichen Dank an alle TeilnehmerInnen, unsere Gäste und das Team des Ristorante Brighella
Wer möchte – wir sehen uns wieder zu den bekannten Jahrgangsproben im Steigenberger Hotel, Bad Homburg.
26. Oktober 2022 – 1. Jahrgangsprobe Weinbaugebiete Franken, Nahe, Hessische Bergstraße, Mosel, Saar, Ruwer, Rheinhessen, Saale-Unstrut
2. November 2022 – 2. Jahrgangsprobe 2021 Weinbaugebiete Ahr, Baden, Mittelrhein, Pfalz, Rheingau, Sachsen, Württemberg
Ihr Präsident
Klaus Rössler
Dr. Hilgard wies mich gerade darauf hin, dass der Grüne Veltliner den Hoheiten möglicherweise gar nicht bekannt war. Weitere Recherchen ergaben Folgendes: Die Hoheiten dürften den Grünen Veltliner vielleicht gekannt, aber weniger wahrscheinlich getrunken haben, er war wohl zu dieser Zeit ein Massenwein.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Aufstieg des Grünen Veltliners. Dass eine so prominente Rebsorte im 19. Jhdt. nicht en vogue gewesen sein könnte, daran hatte ich nicht gedacht!
Nehmen wir an, wir wollten mal einen Wein verkosten, den das Personal getrunken haben könnte.