Wir haben schon Ewigkeiten nicht mehr über das Preis-Genuss-Verhältnis geredet. Grund genug, nach der langen Sommerpause die Diskussion in Vorbereitung zu unseren Jahrgangsproben schon mal warmlaufen zu lassen. Bei unserer Frankenreise haben mich einige Äußerungen zum Nachdenken gebracht. Sind Lagen-Weine nicht vielmehr Preis-Lagen-Weine? Was bedeutet es, wenn bei zwei Weinen unterschiedlicher Preis-Lage, aber nahezu identischer Lage, bei dem teureren die „viele Arbeit“ betont wird? Ist die „Arbeit“ nicht die gleiche? Gleicher Weinberg, gleiche Steilheit, usw.
Hirnforscher der Uni Bonn haben jedenfalls nun endgültig festgestellt, dass teurer Wein nur scheinbar besser schmeckt. Kostet eine Flasche mehr, spielt uns das Belohnungszentrum im Gehirn einen Streich. Der Effekt nennt sich Marketing-Placebo. Wie bei einem Scheinmedikament entfaltet er allein durch zugeschriebene Eigenschaften eine Wirkung: „Qualität hat ihren Preis!“
Die Forscher haben aber auch einen Vorschlag, solche Placebo-Effekte einzudämmen. Das Belohnungssystem in unserem Hirn gaukelt uns durch höhere Preise einen Geschmack vor, der durch den Wein selbst an sich möglicherweise nicht gerechtfertigt ist. „Die spannende Frage ist nun, ob man das Belohnungssystem trainieren kann, damit es weniger empfänglich für solche Placebo-Marketing-Effekte wird“, sagt Prof. Dr. Bernd Weber von der Uni Bonn. Möglicherweise könnte dies gelingen, indem die eigene Körperwahrnehmung – wie zum Beispiel der Geschmack – stärker geschult wird.
Sollten wir bei den Probenlisten zukünftig den Preis wieder weglassen? Auch auf die Gefahr hin, dass bei jedem Glas zuerst nach dem Preis gefragt wird? Vielleicht gibt es ja auch andere Lösungen. Ein Blatt mit Preisen, für Geschmackspuristen eins ohne Preise? Wie bei den voremanzipatorischen Edel-Restaurants mit den getrennten Preislisten für Damen und Herren?
Auf jeden Fall interpretiere ich das als dringende Aufforderung zur weiteren Geschmacksschulung im Collegium Vini. Ich freue mich darauf.
Warum teurer Wein scheinbar besser schmeckt – Studie der Uni Bonn
Publikation: Liane Schmidt, Vasilisa Skvortsova, Claus Kullen, Bernd Weber und Hilke Plassmann, How context alters value: The brain’s valuation and affective regulation system link price cues to experienced taste pleasantness, Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-017-08080-0
Interessante Studie… Für das Collegium sollten wir die Preise nicht verschweigen, ich denke, wir können damit umgehen, zumal viele ohnehin bei teueren Weinen schon anhand des Namens des Winzers und dessen Lagen die Preise einschätzen können.
Außerdem: Teuer kaufen und trinken kann jeder, der das Geld dazu hat und das sind eigentlich viele. Name drinking ist genauso blöd wie name dropping…
Machen wir uns einen Spass, das beste Preis-Leistungsverhältnis zu finden und vielleicht auch zu bestimmen, welche Leistung es für welchen Anlass braucht. Natürlich ist es mit Goethe richtig, dass das Leben zu kurz ist, um schlechten Wein zu trinken. Es muss aber auch nicht wirklich für den lauen Sommerabend auf der Terasse das 1. Gewächs sein, es kann aber es muss nicht.
Als langjähriger Weinfreund und einstiger Weinhändler habe ich mich viel mit dem Preis-/Genuss (fälschlich auch häufig als „Leistung“ apostrophiert)-Verhältnis beschäftigt und in meinem Blog habe ich mich ausgiebig über die Etiketten- und Surrogat-Trinker(25.2.12) sowie die Wein-Snobs(26.4.16) ausgelassen. Bei all diesen Personen spielt der Preis eines Weines eine große Rolle. Sie folgen damit genau dem Muster aller Konsumenten von Luxusgütern und niemand weiß besser als die Gemeinschaft der Collegiaten, dass Wein ein Luxusgut par excellence ist. Man möchte sich an ihm freuen, ihn genießen und ihn schließlich auch besitzen. Auch der Liebhaber eines Lamborghini überlegt nicht welche Vorteile er mit diesem Auto gegenüber einem VW-Passat hat, der 10 mal billiger ist. Die von KR zitierte Bonner Studie schmälert doch in keiner Weise den Genuss teurer Weine. Eine hohe materielle Wertigkeit befriedigt eben nicht nur das Prestige-Bedürfnis des Käufers sondern, wie die Hirnforscher erkannt haben, ganz offensichtlich auch eine andere Sehnsucht, deren Erfüllung sie einer Art „Placebo“-Effekt zuschreiben. Jeder Mediziner weiß, dass ein Großteil von Medikamenten über einen Placebo-Effekt sehr wirksam sein kann. Warum sollten wir das unbedingt ändern? Muss der Lamborghini-Fan die Karosserie abmontieren, damit man die Marke nicht mehr erkennt? Müssen wir nur noch verdeckte Weinproben durchführen, damit wir nicht mehr vom Etikett auf den Preis schließen können? Ich persönlich liebe Luxus – auch beim Wein und dazu stehe ich!