Der Wochenendtrip mit Simon Sachs in seine Heimat, die Südpfalz, hat uns gaumennah demonstriert, dass das alte Qualitätsvorurteil gegenüber den Weinen der südlichen Weinstrasse überholt ist. Über das Weingut Friedrich Becker in Schweigen und seine berühmte Grenzlage zwischen Deutschland und Frankreich zu reden wäre für jeden Weinfreund wie Eulen nach Athen zu tragen. Wir durften einige der großen Weißen und Spätburgunder verkosten und konnten uns mal wieder vom Charakter dieser wunderbaren Kreszenzen überzeugen.
Höhepunkte der Reise, da waren sich alle Teilnehmer einig, waren die Besuche bei zwei sehr engagierten Winzern, deren Begeisterung für das Land und seine Weine geradezu mitreißend war. Zunächst der etwas knochige und humorvolle Typ Heiner Sauer in Böchingen, ein sehr glaubwürdiger Verfechter des ökologischen Rebbaus. Er machte es plausibel, dass es ihm bei seinem Öko-Wein nicht um Zertifikate und neue Absatzmöglichkeiten ging, sondern ausschließlich um die Qualität. Den Beweis blieb er nicht schuldig: für meinen Geschmack waren seine Weine aus weißen und roten Burgundersorten kleine, flüssige Juwelen. Auch seine im spanischen Anbaugebiet von Utiel-Requena erzeugten Rotweine, von denen wir einige probieren durften, lagen weit über dem Durchschnitt. Bernhard Koch und dessen Sohn Alexander, Geisenheim-Student im 2. Semester, haben uns ebenfalls demonstriert, dass Burgundersorten, auch bei konventionellem Rebbau, in der Südpfalz ein wirklich adäquates Terroir haben. Das Weingut der Kochs in Hainfeld, mit angeschlossener Gastronomie, ist schon weit über die Grenzen hinaus bekannt – und das mit vollem Recht! Mein absoluter Favorit war der 2013er Hainfelder Letten Grauburgunder Reserve, mit der jahrgangsbedingten Säure und dem wundervollen Aroma weißer Früchte, wie z. B. Pfirsich, und einem zarten Hauch von Rauch.
Auch kulturell war die Reise ein großartiges Erlebnis. Der Besuch auf Schloss Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben war eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert. Bayernkönig Ludwig I. hatte sich am Ostrand des Pfälzer Waldes am Berghang ein kleines Schloss in der Art einer italienischen Villa bauen lassen. Er wohnte dort in manchen Sommern, allerdings erst nach seiner Abdankung 1848. Heute begegnen wir auf Ludwigshöhe, gleichsam von Angesicht zu Angesicht, den Wittelsbachern in fast jedem Raum. Die ganze Familie des Königs und seiner Nachfahren ist auf Portraits versammelt. Hedonisten werden sich in der Küche der Villa nicht satt sehen können: ein kleines technisches Wunderwerk nach damaligen Standards. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie das Wild des Pfälzer Waldes kulinarisch aufwendig zubereitet wurde und einer illustren Gesellschaft zu Pfälzer Wein in dem wundervollen Speisesaal des Schlosses serviert wurde. Auch damals konnte man offenbar sehr gut leben – man musste „nur“ zur richtigen Gesellschaftsschicht gehören!