Seit den Tagen des Erwachens meiner Freude am Wein habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Wein aus Riesling-Trauben. Nach einer feucht-fröhlichen Nacht mit Rheingauer Riesling hatte ich erhebliche Magenbeschwerden, die sich später schon nach kleinsten Mengen Riesling-Wein wiederholten. Das war eine Katastrophe, denn der Wein schmeckte ja so gut! Ich war fortan gezwungen, mich beim Konsum vom Rebensaft dieser Sorte sehr zurückzuhalten. Nur die Jahrgangsproben des Collegium Vini hielten mein Interesse am Riesling wach, ansonsten hatte ich wenig bis gar keinen Kontakt mit diesen Weinen und entsprechend habe ich das Geheimnis des Rieslings für mich persönlich nie lüften können – bis zur Reise des Collegium Vini an die Mosel im Juli 2025!
In allen drei besuchten Kellereien (Weingut Alexander Lörsch in Leiwen, die Bischöflichen Weingüter in Trier und das Weingut Dr. Hermann in Erden) habe ich Weine verkosten dürfen, die ich in meinem Leben noch nie in dieser Intensität erlebt habe. Ich habe erfahren, dass durch die feine Struktur des in der Region vorherrschenden Devon-Schiefers die Weine eine ausgeprägte Mineralität und rauchige Untertöne entwickeln können, wie ich sie in anderen Anbaugebieten eigentlich noch nie geschmeckt habe. Hinzu kommt natürlich das kühlere Klima an der Mosel und ihren Nebenflüssen Saar und Ruwer, was zu einer längeren Vegetationsperiode führt. Dadurch entstehen wohl einerseits die vielschichtigen Fruchtaromen bei einem meist moderaten Alkoholgehalt, andererseits aber auch die von vielen Kennern so hochgeschätzte lebendige und frische Säure.
Eigentlich steht es mir als Riesling –„Greenhorn“ nicht zu, einen Kommentar zu den unterschiedlichen Weinen zu schreiben. Dennoch möchte ich wenigstens meinen Favoriten erwähnen, der, wie ich glaube, meine Eindrücke vom Mosel-Riesling insgesamt in einem einzigen Glas zusammengefasst hat: der „2024er Erdener Herzlei Spätlese“ aus 130 Jahre alten Reben vom Weingut Dr. Hermann mit seiner unglaublichen Eleganz, herrlichen Frucht und äußerst filigranen Säurestruktur. Ich denke, dass jemand, der diesen Wein liebt, etwas von der Seele und dem Geist der Mosel und ihren Weinmachern verstanden haben muss!
Ein weiteres Highlight der Reise war der Besuch der Landesausstellung in Trier zum Thema „Marc Aurel“. Dort haben wir eine spannende Zeitreise zu diesem letzten großen römischen Kaiser und Philosophen unternommen, die uns gezeigt hat, dass die Probleme der Menschen im Römischen Reich vor 2000 Jahren denen unserer Zeit durchaus ähnlich waren. Am Ende des Rundgangs durch die antike Geschichte wurde man auf einen Satz Marc Aurels aus seinen „Selbstbetrachtungen“ hingewiesen:
„Die Zeit, wo du alles vergessen hast, ist nahe,
nahe auch die Zeit, wo dich alle vergessen haben.“
Sind diese Worte eine Drohung oder ein Trost? Darüber lässt sich trefflich nachdenken. Großen Dank an Frau Schmitges-Thees und Herrn Thees für die Organisation und Durchführung dieser großartigen Reise, die bei mir – wie ich hier versucht habe in Worte zu fassen – zu einer wunderbaren Erkenntnis geführt hat.
Peter Hilgard
Das wird aber auch Zeit, lieber Peter Hilgard.
Die Erdener Herzlei Spätlese von Dr. Hermann ist schon sehr lange einer unserer Favoriten.
Alle guten Wünsche,
Ihr Hans-Jürgen Puhle