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Niederwalddenkmal bei Rüdesheim am Rhein (Quelle: freepik)

Erinnerung 29.11. (Schloss Reinhartshausen) und ein Blick in die Zukunft – alkoholfrei, PiWi und Wein aus der Pappflasche

Zunächst möchte ich erinnern an unseren gastrosophischen Jahresabschluss am Samstag, 29.11.2025: über Niederwalddenkmal zur Weinprobe im ehrwürdigen Keller von Schloss Reinhartshausen in Eltville und anschließendem 4-Gang-Dinner. Wir haben noch Plätze frei – gerne auch für Freunde und Gäste!

Hier die detaillierten Infos:
https://collegium-vini.de/2025/11/einladung-gastrosophischer-jahresabschluss-2025/

Bei unserer Jahrgangsprobe Teil 2 hatten wir ja einen Innovationsschwerpunkt mit alkoholfreiem Wein, PiWi-Weinen und Wein aus der Pappflasche. Ich fand unsere Diskussion zu diesen Themen äußerst interessant und möchte die Erkenntnisse daruas daher hier festhalten. Ich bitte um Kommentare.

Ein Blick in die Zukunft – alkoholfrei, PiWi und Wein aus der Pappflasche

Die ersten vier Weine unserer Probe am 5. November (https://collegium-vini.de/2025/10/jahrgangsprobe-2-teil-am-5-11-probenliste/) standen ganz im Zeichen aktueller Entwicklungen im Weinbau: alkoholfreie Varianten, PiWi-Rebsorten und schließlich ein Weißburgunder aus der Pappflasche. Drei Trends, drei Versprechen – und drei sehr unterschiedliche Ergebnisse.


1. Alkoholfrei – erfreulich sauber, aber sensorisch unvollständig
Cuveé Liberté 2023 vom Weingut Fitz-Ritter, Bad Dürkheim, Deutschland, Pfalz

Der Auftakt gehörte einem alkoholfreien Weißwein, der überraschend ordentlich abschnitt. Frucht, Klarheit und Trinkfluss waren vorhanden, die Machart solide.

Doch die Grenzen zeigten sich ebenso deutlich: Ohne Alkohol fehlt die Tiefe, die Textur und der aromatische Träger. Dadurch wirkte der Wein in der Mitte flach, fast ausgedünnt – ein strukturelles Problem alkoholfreier Produkte.

Unser Eindruck:
Handwerklich gut, geschmacklich sauber. Für geübte Weintrinker aber kaum eine Alternative, eher ein ergänzendes Produkt.


2.–3. PiWi-Weine – eine wichtige Idee, aber noch nicht im Glas überzeugend
Bodensee Souvignier Gris 2024 vom Markgräflich Badisches Weinhaus, Salem, Deutschland, Baden
Von Herzen Zukunftswein 2024 vom Weingut Dr. Kauer, Bacharach, Deutschland, Mittelrhein

Die anschließenden PiWi-Weine führten zu einer lebhaften Diskussion. Klimawandel, 15 Spritzungen pro Jahr bei klassischen Sorten und das EU-Ziel, Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50 % zu reduzieren – diese Probleme sprechen eindeutig für pilzwiderstandsfähige Sorten.

Ein Blick auf wissenschaftliche Daten (vielen Dank, Juliane Bartelt!) bestätigt die Bedeutung dieses Ansatzes:

  • 2–4 statt 8–15 Spritzungen/Jahr, also 70–80 % weniger Pflanzenschutzmittel 
  • CO₂-Einsparung ca. 10 % durch weniger Fahrten 
  • 587 EUR/ha niedrigere Direktkosten 
  • +20 % Biodiversität rund um die Rebflächen 

Ökologisch und ökonomisch sprechen die Fakten eine klare Sprache.

Aber im Glas:
Unsere beiden PiWi-Beispiele enttäuschten. Sie wirkten kantig, in der Aromatik dünn und im Finish kurz. Die Aussage einer Teilnehmerin fasst es treffend zusammen:

„Wenn das mein erster Wein im Leben wäre – ich würde nicht weitermachen.“

Das zeigt das Kernproblem der PiWi-Debatte:
Die Nachhaltigkeit stimmt, die sensorische Tradition fehlt.

Die Daten aus der PiWi-Forschung stützen dieses Bild: 88 % der Konsumenten kennen PiWis nicht, Akzeptanz ist eher gering. Winzer mit PiWi-Fokus agieren innovativ, Traditionswinzer dagegen oft vorsichtig – die kulturelle Barriere ist größer als die technische.

Unser Fazit:
PiWis sind ein Zukunftsthema – aber sie müssen geschmacklich weiter reifen. Wenn wir ihnen eine Chance geben, kann daraus irgendwann eine echte Tradition entstehen.


4. Weißburgunder aus der Pappflasche – starke Idee, schwache Erfahrung

Der vierte Wein sorgte für den prägnantesten Diskussionspunkt des Abends:
Weißer Burgunder der Achkarrer WG in der Pappflasche (Frugalpac-Abfüllung, verkauft bei Rossmann).

Leider:
Drei Flaschen, drei Mal ungenießbar.
Völlig oxidiert, bräunlich verfärbt.

Unser Schreiben an Rossmann und die Achkarrer WG

Ich hatte beide kontaktiert – mit klarer Schilderung des Problems und der Vermutung, dass die Logistik und die Verpackungstechnologie der eigentliche Fehler sein könnten, nicht der Wein als solcher.

Antwort Rossmann – höflich, offen und nachvollziehbar

Rossmann bestätigte und bedankte sich für unser professionelles Feedback:

  • Oxidation kann durch Lager- oder Transportprobleme entstehen.
  • Die Pappflasche hat Vorteile, ist aber empfindlicher.
  • Nachhaltigkeit hängt immer von der gesamten Logistikkette ab.
  • Man wolle Prozesse optimieren und unser Feedback berücksichtigen.

Aussage von Kellermeister Christoph Rombach, Achkarrer Winzergenossenschaft

Ich konnt auch mit Herrn Rombach, dem Ersten Kellermeister der Achkarrer WG sprechen.

  • Abfüllung fand bereits im März statt.
  • Der Wein wurde per LKW nach Italien gebracht (dort einzige Frugalpac-Anlage; Verfahren ist Geschäftsgeheimnis).
  • Der Kunststoff PE lässt Luftaustausch zu → erhöhtes Oxidationsrisiko bei längerer Lagerung.
  • Der Wein lag bei Rossmann bis Oktober – wohl eindeutig zu lange.

Wir haben zusätzlich eine Flasche selbst geöffnet:
bräunlich, oxidiert – nicht verkehrsfähig.

Unsere Bewertung:

  • Die Idee der Pappflasche ist gut, Design und Haptik überzeugend.
  • Frugalpac funktioniert nur bei schneller Lagerumschlagzeit.
  • Ökobilanz zweifelhaft, wenn der Wein zweimal quer durch Europa fährt.
  • Für einen Qualitätswein ist das aktuelle System nicht praxistauglich.

Kurzes Fazit eines Teilnehmers:

„Mutig – aber im jetzigen Zustand indiskutabel.“


Was wir aus der Probe mitnehmen

Diese erste Viererreihe zeigte exemplarisch, wie stark der Weinbau im Wandel steht:

  • Alkoholfrei: handwerklich besser geworden, aber sensorisch limitiert.
  • PiWi: ökologisch und ökonomisch hoch relevant, geschmacklich noch uneinheitlich.
  • Pappflasche: innovativ, aber aktuell fehleranfällig und logistisch problematisch.

Als Collegium Vini haben wir damit ein klares Ziel erreicht:
Wir können informiert mitreden – auch über die Themen, die für jüngere Zielgruppen, für nachhaltigkeitsorientierte Verbraucher und für den zukünftigen Weinbau relevant sind.

Die Diskussion war kontrovers, aber genau das macht eine gute Probe aus. Für uns heißt das aber auch, dass Wein nach unseren traditionellen Genussmaßstäben immer mehr zu einem Luxusgut wird. Werden muss.

Was meint Ihr?

Ich freue mich, möglichst viele am Samstag zu sehen!

Klaus Rössler, Präsident.

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