Wein und Speise
von Guy Bonnefoit

Harmonie / Kontrapunkt

Gott sei Dank sind die Geschmäcker verschieden und jeder hat seine besonderen Weine und Speisen, die er bevorzugt.

Gut ist bekanntlich, was einem schmeckt. Dies hängt einmal von der Saison ab; im Sommer bevorzugt man kühle Weiß- oder Roséweine und mag weniger die kräftigen Rotweine, im Winter wendet man sich wieder vermehrt diesen letzteren zu.

Weitere Faktoren sind die Tageszeit, der Anlass und der Gästekreis. Nicht jeder hat sich mit der Materie Wein oder Küche auseinandergesetzt oder vielleicht gar zu seinem Hobby gemacht. Es wäre nicht richtig, Freunde, die von Hause aus Biertrinker sind, mit einer Probe alter, edler Weiß- oder Rotweine zu konfrontieren und dabei noch zu hoffen, dass sie diese zu genießen wissen und mit den entsprechenden Worten beschreiben und würdigen.
Nicht zuletzt spielt auch der Kostenpunkt eine beachtenswerte Rolle.

Gute Weine bieten nicht nur ein gustatives Erlebnis, darüberhinaus fördern sie, so sie in Maßen getrunken werden, auch unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Sie geben unserem Körper wichtige Oligo-Elemente, Säuren und auch einen kleinen Anteil an Vitaminen und wirken sich durch die in ihnen enthaltene Weinsäure, Tannine und Alkohol positiv auf die Verdauung aus. Wein lädt zum geselligen Zusammensein und fördert das Gespräch.

Je mehr man sich mit der Harmonie von Wein und Speisen beschäftigt, um so mehr erkennt man, wie groß die Duft- und Geschmacksvielfalt der Natur ist. Der heutige Stand der Wissenschaft spricht von ca. 800 bis 1200 verschiedenen Duft-und Geschmacksstoffen. Es sind vermutlich weit mehr und es ist anzunehmen dass im Wein alle Duft- und Geschmacksstoffe der Natur je nach Herkunft, Mikroklima, Weinbergbearbeitung, Kelterungs- und Reifungsmethoden sowie Reife vorzufinden sind.

Da kein Meister vom Himmel gefallen ist, muss jeder, der Weine und Speisen zu einer optimalen Harmonie bringen will, üben, üben und nochmals üben, wobei zu berücksichtigen ist, dass dies „keine trockene Materie“ ist. Sehr hilfreich ist es, sich gute Fachbücher und Fachzeitschriften zu besorgen und gründlich zu studieren. Leider wird das Thema der Harmonie von Wein und Speisen häufig vernachlässigt.

Sehr nützlich für die Selbsterfahrung kann ein Heftchen oder Büchlein sein, in das man sich Notizen über gelungene oder misslungene Speisen- und Weinvermählungen macht. Wir lernen aus positiven wie aus negativen Erlebnissen. Auch die Teilnahme an hochwertigen önologisch-kulinarischen Veranstaltungen öffnet uns neue Horizonte, vor allem wenn dort nicht nur eine gute Harmonie zwischen Wein und Speisen präsentiert wird, sondern eine Erläuterung dazu erfolgt. Warum harmoniert dieser Wein mit jenem Gericht? Erst das Warum und die Antwort darauf vertiefen unsere Kenntnisse, und wir können sie dadurch besser in Erinnerung behalten.

An dieser Stelle ist es aus Platzgründen nicht möglich, das Thema Wein und Speisen im Detail zu behandeln. Trotzdem hier die wichtigsten Kriterien, die berücksichtigt werden sollten:

Es sind Säure (Weinsäure), Salz, Süße, Gewürze, Bitterstoffe (Tannin, Röststoffe durch schmoren, braten, grillen usw.), Kohlensäure, Alkohol, Gehalt des Weines. Ein Wein, der z.B. neben viel Frucht auch angenehme animalische Duft- und Geschmacksstoffe nach Leder, Wild, rohem Fleisch aufweist, verlangt nach Produkten wie Fisch oder Fleisch, die in diese Richtung gehen. Dazu gehören bei den Fischen etwa die Mittelmeerbarbe, der Knurrhahn, d.h. Felsenfische, beim Fleisch gereiftes Rind- (kein Kalb-) oder Wildfleisch (Haar- oder Federwild).

Da man nicht immer über eine große Auswahl von Weinen im eigenen Keller verfügt und sich vielleicht nicht kurzfristig den passenden Wein zum Essen besorgen kann, ist es durchaus möglich, einen vorhandenen Wein durch richtige Behandlung passender zum Gericht zu machen. Dazu gehört einmal das Dekantieren, d.h. das vorsichtige Umgießen in eine Karaffe, um den Wein vom Depot zu trennen, wobei die Tannine oxydieren und gustativ weicher werden. Weiter kann man den Wein lüften, in dem man ihn etwas kräftiger in eine Karaffe umgießt, um die gebundene, für das Auge nicht sichtbare Kohlensäure entweichen zu lassen. Darüberhinaus ist es möglich, einen Rotwein noch fruchtiger erscheinen zu lassen, indem man ihn etwas kühler als üblich serviert, statt bei 18-20°C, bei 16-18°C und noch kühler bei Weinen, die wenig Tannin aufweisen. Die niedrigere Temperatur wird den Wein außerdem weniger alkoholreich erscheinen lassen.

Zu manchen Gerichten ist es wünschenswert, dass die bitter schmeckenden Tannine noch stärker hervorkommen, dann wenn diese Gerichte starke Röststoffe aufweisen. Bei einer gebratenen Poularde z.B. wäre das nicht der Fall, da das Fleisch leicht süßlich ist. Hier sollte der Wein gelüftet oder dekantiert werden. Dadurch werden die Tannine weicher, samtiger.

Die leichte Süße, die auch bei durchgegorenen Weinen vorhanden ist, kommt einmal vom Alkohol (Alkohol schmeckt süß!), dann von unvergorenem Restzucker (z.B. Arabinose) und vom Holzfass während der Reifezeit. Wenn man aber weiß, dass gebundene Kohlensäure die Süße verdeckt und darüberhinaus die herben, tanninhaltigen Töne hervorruft, kann das Lüften für Abhilfe sorgen. Laut Gesetz darf ein trockener Weißwein nicht über 9 g/l Zucker enthalten und der gleiche Wein, wenn er mit der Geschmacksrichtung trocken versektet wird, bis 35 g/l Zucker, d.h. fast das Vierfache.

Sehr wichtig für die Wein- und Speisenvermählung ist die Garart und der Gehalt der Sauce, ohne die Beilage zu vergessen. Es gibt einen Riesenunterschied für die Weinbegleitung ob der Fisch oder das Fleisch gedünstet, gedämpft, pochiert (dazu vornehmlich Weißweine mit viel Frucht und weniger Tannin, keinesfalls Barriquewein), gebraten, geschmort oder gegrillt wird.

Die gleiche Mühe, die man auf einen Wein anwendet, um seine Duft- und Geschmacksstoffe zu analysieren, sollte man auch dem Gericht zukommen lassen, zu dem ein Wein gereicht wird, und es auf alle seine Geschmackskomponenten untersuchen.

Nicht selten stellt sich die Frage, ob man lieber einem trockenen, halbtrockenen oder milden Wein den Vorzug geben sollte. In diesem Zusammenhang ist es nützlich zu wissen, dass im Fleisch von Tieren und Fischen, Pflanzen und Früchten von Natur aus ein gewisser Gehalt an Zucker und Salz vorhanden ist. Beim Garprozess, vor allem beim Braten, Grillen, Schmoren, usw. karamelisiert dieser Zucker. Zucker und Salz sowie edle Fette sind Geschmacksträger. Sie verweilen nach dem Schlucken im Mund und aromatisieren die Weine, die man dabei trinkt. Dies ist auch der Grund, warum manche Menschen von einem trockenen Wein zum Essen begeistert sind und den gleichen Wein, für sich allein getrunken, als zu trocken und gar als „sauer“ bezeichnen.

Auch der Einfluss der Gewürze muss bedacht werden, weil diese z.B. in Verbindung mit an Weinsäure und Alkohol reichen Weißweinen ihre Würzintensität um das bis zu Dreifache erhöhen können. Dies führt dazu, dass eine an sich gut gewürzte Speise, z.B. Curryhuhn, nicht mehr genießbar wird und man den Koch zu Unrecht beschuldigt.

Wichtig ist auch der Einfluss der Säure. Wenn man behauptet, Säure hebe die Süße besonders hervor, wird man nicht selten erleben, dass einer den Kopf schüttelt und meint, dass stimme wohl nicht, es müsste umgekehrt sein. Alles ist eine Frage der Menge. Wie sagte Paracelsus schon:„Die Dosis macht es zu Gift“. Versuchen Sie es mit Erdbeeren, die nicht ganz reif sind. Eine Zugabe von etwas Zitronensaft wird nach weniger als einer Viertelstunde die Erdbeeren wesentlich reifer, süßer schmecken lassen.

 

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